Geschichte der Mauritiuskirche

  • 1007    Schenkungsurkunde an Bistum Bamberg (Holzgerninga mit allem Zubehör und Beiwerk: Gehöfte, Kirche, männliche und weibliche Hörige …)
    So war das damals wohl: Wertmäßig hat der Mensch (Hörige) erst nach den Immobilien rangiert – und: so schnell kann man von der Obrigkeit verschenkt werden.

  • 1275    Pfarrei Holzgerlingen erstmals urkundlich erwähnt.
    Der Bischof von Lyon plante einen Kreuzzug gegen die Türken. Das Geld dazu beschaffte er sich über den Bischof von Konstanz von ‚gut gepfründeten Pfarreien’. Auch die Pfarrei Holzgerlingen wurde verpflichtet, einen finanziellen Beitrag zu leisten. Daraus lässt sich ableiten, dass Holzgerlingen finanziell schon ordentlich ausgestattet war. So kam es zu dieser ersten urkundlichen Erwähnung der Pfarrei.

  • 1304    Holzgerlingen hat 2 Pfund Wachs und 4 Simri Frucht an das Katharinen-Spital Esslingen zu liefern = Beteiligung am Aufbau eines frühen Spitalwesens.
    Man beachte: Ende Januar 2007 haben wir mit einem Festgottesdienst in der Mauritiuskirche
     das 10-jährige der Diakonie- und Sozialstation Schönbuchlichtung gefeiert. Aber rund 700 Jahre vorher schon hat sich Holzgerlingen in Diakonie-Aufgaben einbinden lassen.

  • 1420    Edelknecht Burkhardt Gerringer (von Holzgerlingen) wird Hofmeister bei Gräfin Henriette von Wirtemberg.
    Namenskunde: Burkhardt, der von Gerringen, der Gerringer (von Holzgerninga, von Gerlingen, von Gerringen vor dem Wald = Holzgerlingen) wird Hofmeister.

  • 1440    Anbau des heute bestehenden und 1769 erneuerten Westturms an die Vorgängerkirche.
    Vorgängerkirche: Wie 1275 erwähnt, muss es damals in der Pfarrei Holzgerlingen schon ein Kirchengebäude gegeben haben.

  • 1443    Burkhardt Gerringer = erster Student (von Holzgerlingen) an der Uni Heidelberg.
    Die Holzgerlinger waren halt immer schon ein wissbegieriges Volk.

  • 1450    Erfindung des Buchdrucks durch Johann Gutenberg.

  • 1472    Fertigstellung des Neubaus von Langhaus, Chor und Sakristei unter Nutzung der älteren Langhaus-Nordwand. Baufinanzierung durch Mechthild von der Pfalz (Witwe des Grafen Ludwig I. von Württemberg).
    Eine solche Wohltäterin oder Mäzen könnten wir heute auch wieder gebrauchen, um das Johannes-Brenz-Haus modernisieren zu können.

  • 1481    UG des Beinerhäusles, Fachwerkaufbau später.
    Gestiftet von einem Ulrich Binder.

  • 1525    Kurze Blütezeit Holzgerlingens: 121 Wohnhäuser werden gezählt, in Böblingen 122, in Sindelfingen 156.
    Mit etwas wirtschaftlichem Rückenwind hätte Holzgerlingen Böblingen ja noch überholen können. Dann würde es heute vielleicht heißen: Böblingen im Landkreis Holzgerlingen und die Autokennzeichen würden mit HG oder HO beginnen. Na, ja, man darf ein wenig spekulieren.

  • 1535    Die Mauritiuskirche wird evangelisch. Herzog Ulrich führt in Württemberg die Reformation ein.
    Valentin Reiser war der erste evangelische Pfarrer in Holzgerlingen. Darüber wurde am 7. Januar 2007 beim ökumenischen Gottesdienst in der Stadthalle (anlässlich der 1000Jahr-Feiern der Stadt) berichtet.

  • 1535    Zwei zusätzliche Pfründe / Altäre in der Mauritiuskirche:
    Antoniusaltar = Frühmesspfründe und Marienaltar = Unser Frauen Caplaney – Pfründe.
    Die Aushöhlung im Chor, Südseite und das Tabernakel in der Langhaus Südseite waren vermutlich Standorte der Altäre.

  • 1600    Es gibt eine neue Kanzel in der Mauritiuskirche.
    Aber nur die Kanzelstütze mit der Jahreszahl 1600 ist davon noch erhalten.

  • 1627    Einquartierung von 16000 Wallenstein-Soldaten im protestantischen Südwesten, auch in Holzgerlingen.
    Es sind kriegerische Zeiten.

  • 1634    Kroatische Soldateska ermordet grausam das Pfarrerehepaar Ruoff.

  • 1663-1727      August Hermann Francke: Professor, Pastor und Gründer der Franckeschen Stiftungen in Halle: Waisenhaus, Buchhandlung, Verlag, Druckerei, Apotheke, Cansteinsche Bibelanstalt, Ostindische Mission.
    Ein großer Pionier der Diakonie!

  • 1683    Kiesersche Forstkarte: Erste Abbildung von Holzgerlingen.
    Kieser kam vom Militär und war beauftragt, für den württ. Herzog die Liegenschaften zeichnerisch zu erfassen (erste Kataster-Aktionen).

  • 1731    Das erste Herrnhuter Losungsbüchlein, wird auch heute in Holzgerlingen gerne gelesen.
    Herrnhuter Losungen: Gottes Wort für jeden Tag. Heute wird es  in 50 Sprachen herausgegeben.

  • 1735    Russische Truppen marschieren durch Holzgerlingen.
    Es gibt keinerlei Fehlverhalten oder Beanstandungen. So kann es ja auch mal gehen.

  • 1743    Österreichische Truppen, die Panduren, ca. 800 Soldaten, nehmen Quartier in Holzgerlingen.
    Holzgerlingen selbst hatte nur etwa 800 Einwohner. Jeder musste also einen fremden Soldaten verhalten. Man kann sich die Last für die Familien vorstellen.

  • 1752    Benjamin Franklin erfindet den Blitzableiter.

  • 1762, 1768, 1794    Sturmschäden
     
  • 1880    Blitzschläge mit großem Brandschaden.
    1768 versucht man der Blitzschlag-Gefahr zu begegnen, indem man den Turm um 1 Stockwerk (6 m) reduziert. Hat aber nichts geholfen. Noch 2 Blitzschläge ereigneten sich, bevor man 1880 durch die Montage eines Blitzableiters den Naturgewalten Einhalt gebieten konnte. Fast 130 Jahre hatte es gedauert, bis die technische Erfindung Anwendungsreif entwickelt war und den Weg über den großen Teich nach Europa, nach Deutschland und Holzgerlingen gefunden hatte.

  • 17.-19.Jahrhdt.          Die Pietisten-Väter.

  • 1818    Alle Leibeigenen, auch des Staates, werden frei.
    … ab 1.1.1818, aufgrund einer Verordnung des württ. Königs Wilhelm I. vom 18.11.1817. Viele Besucher sind überrascht, dass diese bürgerliche Freiheit erst so spät (im 19. Jahrhdt.) von Staats wegen gewährt wurde.

  • 1835    Erste Eisenbahn in Deutschland: die Strecke Nürnberg – Fürth.

  • 1839    1. Advent: der 1. Adventskranz der Welt: eine Erfindung von Pastor J.H. Wichern.
    24 Kerzen schmücken seinen Adventskranz (für die Tage 1. – 24. Dezember).

  • 1848    Pastor J.H. Wichern regt in Hamburg die Gründung des ‚Centralausschusses für Innere Mission der Deutschen Evangelischen Kirche’ an.
    Heute bekannt unter ‚Diakonie’.

  • 1850    Urteil des Oberamts Böblingen über die Holzgerlinger: „Die fleißigen, sparsamen und religiös gesinnten Einwohner haben eine dauerhafte Gesundheit und erreichen trotz ihrer im Durchschnitt dürftigen Lebensweise häufig ein sehr hohes Alter“.
    Hat sich daran bis heute was geändert?

  • 185x    Der Holzgerlinger Konrad Neuffer erfindet einen ‚fahrradähnlichen’ 3-Rad-Wagen.
    Das wäre es doch gewesen: Wenn sich der Neuffer mit dem Daimler und dem Benz zusammengetan hätte, hätten die Drei das Auto erfunden. Dann wäre die Hauptverwaltung vom Daimler heute nicht in Möhringen, sondern in Holzgerlingen und die Firma würde nicht DaimlerChrysler heißen sondern DaimlerNeuffer.
    Böse Buben haben Konrad Neuffer einen Streich gespielt und sein Fahrzeug eine abschüssige Straße runter rollen lassen. Irgendwo ist es gegen eine Mauer gestoßen und in 1000 Teile zerborsten. Das hat den Konrad so gekränkt, dass er alles Auto-Erfinden aufgegeben hat. Und so ist auch aus DaimlerNeuffer nichts geworden. Echt schade!

  • 1867    USA kaufen Alaska von Russland.
    Darüber ärgern sich die Russen heute noch.

  • 1880    Eigene Poststelle in Holzgerlingen.
    Die Holzgerlinger waren wohl nicht so begeistert von der neuen Einrichtung, wussten sie nicht so richtig zu nutzen. Denn schon 1856 war ein erster Versuch gestartet worden. Die Sache ist aber bald wieder ‚eingeschlafen’.

  • 188x    Die ersten Fahrräder tauchen in Holzgerlingen auf: Vorderrad 1,50 m Durchmesser und kleines Hinterrad.
    Eine Gruppe junger Männer auf solchen ‚Fahrrädern’ prescht in sausender Fahrt die heutige Böblinger Straße herunter. Volk und Federvieh stieben auseinander, um sich in Sicherheit zu bringen, denn die Räder hatten keine Bremsen. – Frauen und Mädchen blieb es lange Zeit verboten, solch modernes Zeug zu benutzen.

  • 1885    Daimler und Benz erfinden ihren Kraftwagen mit Benzinmotor.
    Jetzt erst, Jahrzehnte später, geht es um die richtige Erfindung des Autos.

  • 1896    Gründung des Jünglings- und Männervereins.
    Aber die Frauen waren mal wieder schneller: Schon ab 1891/92 gab es einen Jungfrauenverein.

  • 1900    Holzgerlingen hat 1907 Einwohner.

  • 1904    Gründung des Posaunenchors.

  • 1910    Gründung des Kirchenchors.

  • 1909-1911    Bau der Schönbuchbahn: Böblingen – Holzgerlingen – Dettenhausen.
    Wie im übrigen Deutschland brachte die Eisenbahn den Schönbuchgemeinden wirtschaftlichen Aufschwung und persönliche Reisefreiheit.

  • 1919    Wahlen zur Nationalversammlung. Erstmals Wahlrecht für die Frauen.
    … auch in Holzgerlingen.

  • Jan. 1920     Holzgerlingen wird von der „Elektrischen Kraftübertragung Herrenberg“ erstmals mit Strom versorgt.
    Nachfolgefirmen sind die EVS und EnBW.

  • 1926    Radikale Innenrenovierung der Mauritiuskirche: Orgel vom Chor auf die Turmseite, Verlängerung der Turmempore.
    Mit dieser Renovierung wurde unter den historischen Einrichtungen und Ausstattungen kräftig aufgeräumt. Der alte Kanzelkorb mit Schalldeckel wurde durch eine neue Kanzel ersetzt. Das gesamte Gestühl wurde erneuert. ‚Hübsche Renaissance-Chorstühle’ -  in einer alten Oberamtsbeschreibung noch so bezeichnet -  gingen verloren, aber auch solch kulturhistorisch interessante Einbauten wie das Pfarrgestühl an der Nordwand unter der Kanzel als auch die Loge für die Schlossherrschaft Kalteneck.
    Sie haben es sicher nicht mutwillig weggeworfen, unsere Altvorderen. Sicher war so manches vom Holzwurm zerfressen und nicht mehr reparierbar.

  • 1928    Holzgerlingen erhält eine Wasserleitung.

  • 1952    Holzgerlingen erhält eine Kanalisation.
    Welch ein Fortschritt!

  • Um 1954     Die ev. Kirchengemeinde stellt den Katholiken die Mauritiuskirche für ihre Gottesdienste zur Verfügung.
    Große Ökumene: Sonntagvormittag war evangelischer, am Nachmittag katholischer Gottesdienst, etwa 7 Jahre lang.

  • 1962    Renovierung: Verlagerung der Orgel von der Turmseite nach Südost.
    Innen wird durch das Orgelgehäuse leider das östliche von 3 schönen Gotikfenstern zugestellt.

  • 1964    Es gab eine kleine Holzkirche, Vorgängerin der Johanneskirche.

  • 1976    Einweihung Gemeindezentrum Johanneskirche.

  • 1989    Außenrenovierung der Mauritiuskirche.
    Die Farbstellung Weiß und Ocker sind dem Zustand aus dem 17. Jahrhundert angepasst (Auflage des Landesdenkmalamtes). Fertigstellung = eine große Freude für die ev. Kirchengemeinde.
    Im November des gleichen Jahres gibt es eine große Freude für ganz Deutschland: Mauer und Grenzzaun DDR zur BRD wird geöffnet.

  • 1996-1997     Innenrenovierung der Mauritiuskirche.
    Und seither gibt es dieses Schmuckstück.